dineshandeuropeanfriendsDinesh Mishra (geboren 1969 in Varanasi) ist ein indischer Flötenspieler und Musik-Komponist aus Bollywood City, Mumbai, Indien.

Dinesh war Meisterschüler des berühmten indischen Musikers Pandit Hariprasad Chaurasia. Er tritt mit Bands und als Solo-Künstler in der ganzen Welt auf, komponiert und spielt für zahlreiche Bollywood-Filme. Darüber hinaus arbeitet er als Lehrer für den „Mumbai Education Trust“. Als „Artist in Residence“ der Akademie der Kulturen NRW kommt er für sechs Monate im Jahr nach Europa, um mit anderen seine Musik zu teilen, zu lehren und neue Ideen zu entwickeln.
Bei dem letzten Konzert im ‚BoLa. Haus der Kulturen‘ spielten weitere namhafte Künstler der Weltmusik in neuer Zusammensetzung mit ihm – eine einzigartige Mischung aus Elementen der klassischen indischen Musik, des europäischen Jazz und weiteren ethnischen Einflüssen:
Ibrahim „Ibo“ Turhan, bekannter Saz-Spieler aus der Türkei, Frank Stukenbrock, einer der begabtesten, vielseitigsten Gitarristen Deutschlands, Ismail Bulut, der türkische Komponist und Regisseur an afrikanischer Trommel, Klaus Jochmann am Akkordeon und an verschiedenen Trommeln, der russische Trompetenspieler Tanzen und Alexandre Perez am Didgeridoo.

Interview mit Dinesh am 17. Januar 2008 im ,BoLa. Haus der Kulturen‘ in Essen. Interviewer: Alexandre Perez (AP)

daef3 daef2 daefAP: Dinesh, erzähl uns bitte Deine Geschichte, Deine Reise durch die Musik und wie Du zum Flötenspiel gekommen bist.
Dinesh: Ich bin in einer sehr heiligen und kulturellen Stadt in Indien vor 38 Jahre geboren. Ich fühle mich selbst geboren, um Flöte zu spielen. Meine Karriere fing an, als ich siebzehn Jahre alt wurde. In meiner Familie waren keine Musiker, und meine Eltern waren sogar dagegen, dass ich Musik lerne. Mit 17 Jahren sah ich einen alten Bollywood-Film, „Geet“, wobei ich die indische Flöte „Bansuri“ zum ersten Mal hörte – gespielt durch den berühmten Musiker Pt. Hariprasad Chaurasia. Ich war sehr begeistert und tief emotional berührt. Dieser Tag änderte mein Leben: Ich wollte unbedingt diese Flöte lernen, und das wurde zunächst ein 10-jähriger Kampf und Anstrengung. Mein Ziel war, diese Flöte zu lernen und mich dann bei meinem Vorbild Pt. Hariprasad Chaurasia zu bewerben, um bei ihm weiter zu studieren. Das war kein einfaches Vorhaben, weil er sehr berühmt war und ständig auf internationalen Reisen. Ich entschied mich, mit einem Freund ein Bewerbungformular für die Musikschule abzuholen, und zeigte es meinen Eltern. Aber sie wurden sauer und das Formular landete im Müll. Zum Glück konnte ich das Formular bügeln und dabei retten, und ich unterschrieb selbst mit meines Vaters Unterschrift. Ich startete die Musikschule, ohne meine Eltern darüber zu informieren, in Abendstunden, nach meiner normalen Schule. So lernte ich 3 Jahre lang sehr hart und übte das Flötenspiel heimlich bei meinem Freund.

„Die Musik der Welt hat überall einen wunderbaren Klang, wenn sie mit dem Herzen gespielt wird.“ (Dinesh Mishra)

Als ich mein Studium anfing, lernte ich Buchhaltung und Wirtschaft. Nach 3 Jahren war in meiner Schule ein großes Abschluss-Festival für die Studenten, wobei ich meinen ersten Auftritt hatte und den ersten Preis errang. Mein damaliger Flötenlehrer, R.R. Srinivasan, war sehr stolz, und ich war so glücklich, dass ich diesen Preis meinen Eltern zeigte. Meine Mutter dachte zuerst, dass ich den Preis gestohlen hatte, und wurde sehr wütend. Sie dachte, dass ich kein Talent habe, und konnte sich nicht vorstellen, dass ich überhaupt Musik spielen konnte. Als Student wurde ich oft gemobbt und mit wenig Respekt behandelt. In dieser Zeit hatte ich keinen großen Ehrgeiz, berühmt zu werden oder Geld zu verdienen. Mein einziges Ziel war, mein Vorbild zu erreichen und bei ihm zu lernen.
Deshalb zog ich in ein Institut nach Delhi, um fortgeschrittene Flötentechnik zu lernen – 3 Jahre lang, mit dem Lehrer PT. Rajhunath Prasana – und startete langsam eine professionelle Karriere.

AP: Hast Du Dein ursprüngliches Ziel auch erreicht?
Dinesh: Viele Versuche, mein Idol zu kontaktieren, waren erfolglos. Am 6. Dez. 1994 besuchte ich ein Konzert in Varanasi. Nach dem Konzert hatte ich den ersten Kontakt und er sagte mir, dass ich nach Bombay kommen sollte für eine Hörprobe. Dann würde er entscheiden, ob er mich unterrichtet. Bombay ist eine sehr große Stadt und nicht so sicher. Meine Mutter erlaubte mir zu fahren, aber ich sollte mit meinem Freund Amid reisen, der Tabla lernen wollte.
Mein Vater fand mir eine Unterkunft, und dann musste ich um 11 Uhr kommen, für die Hörprobe. Der Lehrer saß am Boden und hatte vor sich etwa 10 Schüler, die Flöte spielten. Die Atmosphäre war sehr heilig, so wie in Vrindravan, wo Krishna geboren war. Krishna spielte auch Flöte und hat mich dabei sehr inspiriert. Ich war bei der Hörprobe sehr angespannt, konnte nicht mal sprechen und saß in der letzten Reihe bei den Schülern. Am Ende des Unterrichts sollte ich dem Lehrer etwas vorspielen, aber meine Hände waren zittrig. Ich hatte so viele Stunden die Musik des Lehrers geübt, dass ich eine seiner bekannten Kompositionen spielte, und er fing an mitzuspielen. Dann sagte er, dass ich eine bestimmte Melodie üben und eine Woche später zurückkommen sollte, und dann würde er entscheiden. Ich übte dieses Stück so oft, dass die Nachbarn sich beschwerten und der Eigentümer mich bat, das Haus zu verlassen. Ich hatte keine Wohnung mehr und kein Geld und hatte keine andere Lösung gefunden, als stundenlang im Zug zu spielen, dank meiner Bahnkarte. Eine ganze Woche lang spielte ich im Zug, von Anfang bis Ende der Strecke, und immer wieder. Nachts schlief ich im Bahnhof.
Am Ende dieser anstrengenden Woche kam ich zur Hörprobe, und der Lehrer war sehr zufrieden. Er entschied sich, mich zu unterrichten. Das war die größte Freude und das schönste Ereignis in meinen Leben. Ich hatte mein Ziel erreicht!

AP: Und wie ging es weiter?
Dinesh: Ich war so müde, dass der Lehrer mich fragte, ob alles in Ordnung sei, und als ich ihm erzählte, dass ich keine Unterkunft habe, fand er einen Platz bei einem Freund. Ich startete einen 5-jährigen, sehr fleißigen und aufrichtigen Flötenunterricht, wobei ich viel Respekt und Hingabe für meinen Lehrer zeigte.
Ich startete eine erfolgreiche berufliche Musik-Karriere und fing an, für Bollywood-Filme zu komponieren und zu spielen. Nach 5 Jahren in Bombay verliebte ich mich und heiratete eine junge Frau, Meenaxi. In Indien, wenn man heiratet, muss man eine gute Situation haben und eine Wohnung. Der Lehrer hatte eine Wohnung zu verkaufen, aber ich hatte kein Geld. Das war kein Problem, ich konnte es in Raten zahlen, und so startete ich ein Familienleben und konnte in Bollywood-Filmen und mit Konzerten meinen Lebensunterhalt mit der Flöte verdienen. Ich fing an, viel zu reisen, und spielte mit vielen anderen Musikern in Indien. Mehrere Jahre später fühlte ich mich noch nicht damit erfüllt, Flöte nur um des Geldes willen zu spielen. Ich war sehr experimentierfreudig und wollte etwas Neues schaffen. Ich wollte die indische Musik mit anderen Musikrichtungen kombinieren. Ab 2005 reiste ich außerhalb Indiens, nach Europa und speziell nach Deutschland, das heute meine zweite Heimat ist. Dort habe ich viele Freunde und fühle mich sehr wohl.

AP: Dinesh, kannst Du uns mehr über Dein heutiges Leben erzählen?
Dinesh: Sicher. Ich habe heute weltweit viele Schüler. Viele Kinder und Erwachsene. Ich spiele mit sehr bekannten Musikern zusammen und bin sehr erfüllt, dadurch dass ich indische und westliche Musik kombiniere. Die indische Musik wird mehr mit dem Herzen gespielt, die westliche ist oft mehr auf dem Papier … Ich liebe Konzerte mit Musikern, wo eine Musik von innen entsteht, wo die Herzen sich verbinden und man die Energie genießt.
Die Musik entspricht dann dem, was ich fühle, und dem, was mein Herz „erlaubt“, dass ich in dem Moment spiele. Das sind sehr einfache Melodien, in sehr schöner und angenehmer Weise, wobei sich jeder gut fühlt. Die Schläge der Herzen sind überall auf der Welt die gleichen. Ich versuche immer, die Gesetze der Musik zu brechen, um neue Sounds zu suchen. Ich möchte auch, dass die Menschen glücklich werden mit meiner Musik. Du solltest auch Dein Glück mit anderen teilen. Du brauchst unser Glück! „You need our happiness“ ist ein neues Instrumental-Album, das ich momentan mit dem talentierten Gitarristen Vassilios aus Stuttgart aufnehme.

AP: Dinesh, Du als Lehrer – was kannst Du den westlichen Musiklehrern vermitteln?
Dinesh: Erst muss man spüren, was die Natur und die Gefühle der Kinder sind, und ihr Interesse wecken. Man sollte erst spielerisch die Sachen erklären, mit viel Freundlichkeit, aber ernst – nicht zwingen, sondern so motivieren, dass sie es von allein machen wollen. Musik ist nicht auf dem Papier: die Schwingungen verwandeln den Geist und machen ihn sensibel und kreativ. Kinder können Noten lernen, aber sie sollten auch lernen, Musik zu spüren – wenn sie die Musik spüren, dann können sie eines Tages auch ein Meister werden. Die Musik der Welt hat überall einen wunderbaren Klang, wenn sie mit dem Herzen gespielt wird.

Mehr Info im Internet:
www.myspace.com/dineshflute

Ausbildungen und Workshops für Kinder, Erwachsene und Profis gibt Dinesh ab Mai in NRW:
www.akademiederkulturen.de

AP