Via Vita. Rad des Lebens

Taz Ruhr, 22. Juli 2004

Fernab vom Bochum Total-Getöse entführen der künstlerische Leiter Reinhard Rechungpa Kreckel und sein junges Künstlerteam in die Welt phantastischer Wesen, die sich im Rad des Lebens bewegen. Das tibetische Bild vom Rad des Lebens ist die Versinnbildlichung von Lebenskreisläufen, den Prinzipien von Ursache und Wirkung und von Bewusstseinszuständen, die jedem von uns bekannt sind, aber selten reflektiert werden. Die nonverbale Performance vertanzt in einem virtuellen Bühnenbild sechs Formen von Existenz: die Welt der Tiere, der Titanen, der Menschen, der hungrigen Geister, der Götter und der Höllenwesen. Via Vita erklärt die Prinzipien für die Ursachen unserer negativen Emotionen und zeigt gleichzeitig, wie man sich von diesen Zuständen befreien kann. Eine Lebensanleitung im künstlerischen Gewand.

Die Metamorphose der Christuskirche Premiere war am Donnerstag und eins muss man dem Masken-, Klang-, und Tanztheater Metamorphose lassen: Es hat einen eindrucksvollen optischen Raum geschaffen, in dem sich die Tänzer bewegen. Das Bühnenbild, das sich gut in den Altarraum einfügt, bietet große Projektionsflächen, über die während der Aufführung Visuals flackern, wie man auf neudeutsch sagt, also Videoeinspielungen. Diese zeigen zumeist Kreise im Wasser, ob als Regen, der in einen See tropft, oder als strudelnden Sog. Der Kreis ist sowieso bestimmendes Merkmal des Stücks: Leitmotiv ist Das Rad des Lebens, das in der tibetisch-buddhistischen Lehre als Metapher für den ewigen Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt steht, verschiedene psychische und physische Seinszustände beschreibt. Diese Thematik wird von der Gruppe eingehend erläutert, bevor man den Zuschauer in ein Stück entlässt, das dann ganz ohne Sprache auskommt. Sphärische Klangcollagen von Live-Musikern und zuweilen recht ausgeklügelte Tanzdarbietungen, mal mit, mal ohne Masken, ergeben in der Folge eine interessante Symbiose. Die ist zum einen schön anzuschauen und -hören und zum anderen emotional mitreißend, wenn im Spiel mit Nähe und Distanz etwa ein lautstarker Streit zwischen den Figuren ausbricht.

ONCE, Magazin für Kunst, Kultur, Multimedia, September 2000, Kulturgut Verlag

Das Alles

Die Performance entstand aus einer 1987 begonnenen Projektreihe, welche sich in internationaler Besetzung intensiv mit der Kontinuität des Lebens auseinandersetzt. Die Inszenierung ist auf grundlegende Elemente des Lebens reduziert, stellt übergeordnete Sinnzusammenhänge dar. Auf Worte wird gänzlich verzichtet, im Vordergrund stehen visuelle Reize. Der Körper des Tänzers kommt auf moderne Weise zum Einsatz, läßt den Zuschauer über phantasievoll gestaltete Großmasken in eine Welt der Götter, Titanen und in die Basis menschlichen Daseins eintauchen. Die Vorführung mit ihrem virtuellen Bühnenbild, einer Komposition abstrahierter Naturprojektionen, trägt das Publikum stellenweise geradezu davon. Perfekte Abstimmung findet die Performance auch auf der akustischen Ebene. Das breite dynamische Klangrepertoire formt sich impulsiv und spontan aus der jeweiligen Stimmung des Moments heraus. Teilweise ergeben sich sphärische, hintreibende Klangcollagen von Streichern, getragen von fließendem Gesang und teilweise harten Rhythmen. Immer wieder spitzt sich die Inszenierung dramatisch zu, werden die Trommelschläge provokanter, schaukeln sich mit dem Gesang und den anderen verschiedenartigsten Instrumenten hoch. … Die Künstler wollen dem Publikum die Möglichkeit eröffnen, über Assoziationen und Gedanken aus dem Mit-Erlebnis eigene Schlüsse zu ziehen. Dafür kreieren sie Figuren und Bilder, die Elementares in eine neue Umgebung, neues Licht stellen und somit für eine kreative Verinnerlichung freigeben. Die Hauptinspiration zieht Via Vita aus einem traditionellen tibetischen Motiv Rad des Lebens, einer Metapher, welche die Kontinuität des Seins symbolisiert. Die sechs Daseinsbereiche im Samsara, zu denen die kampfbestimmte Welt der Titanen ebenso wie die der Götter und Höllenwesen gehört, werden tänzerisch umgesetzt. Verarbeitung finden auch die zwölf Bilder des äußeren Kreises, die das Prinzip von Ursache und Wirkung der menschlichen Existenz, und das Zusammenspiel von Körper, Geist, Sinnen, ins Bewusstsein führen. Das Stück endet mit der positiven Aussicht auf einen Durchbruch. Der letzte, die Erkenntnis verhindernde Schleier wird überwunden, der Mensch erscheint klar und hell erleuchtet, einen freien Weg vor sich.

Il Ciclo de la Luna
WAZ Bochum, 8. September 1995

Der durchdringende Schrei des Feuervogels schreckte die Zuschauer auf. Diesmal tatsächlich bei Mondschein und ohne Regen, konnten sich die Bochumer von den Künstlern der Akademie für lebendige Kunst in mythische Mondwelten entführen lassen. Die Performance Il Ciclo de la Luna verwandelte den Schloßpark Weitmar am Mittwochabend in die bizarre Kulisse für Mondgöttin und Fabelwesen. Der Zyklus beginnt mit dem Entzünden des zunehmenden Halbmondes. Plötzlich erwachen auf den Schrei des Feuervogels hin die Fabelwesen der Nacht. Die Steinfrauen tauchen die Schloßruine mit Gemurmel zu klagenden Akkordeonklängen in ein sphärisches Ambiente und locken die Zuschauer mit ekstatischen Tänzen in die Traumwelt. Die Mondschnecke befreit sich aus dem engen Gehäuse und bringt der Mondgöttin, Herrin über die Gezeiten, das Wasser. Die Flut kommt, der Vollmond gibt den Mondmann frei zum Höhepunkt auf dem Hügel des Parks. Aber Charles, auf der Suche nach den letzten Dingen, kann die Grenzen nicht überwinden, die ihn von dieser Fabelwelt trennen. Stählerne Klänge erscheinen wie unsichtbare Grenzen. Das ganze Orchester aus Hörnern, dem Berimbao (ein Saiteninstrument Lateinamerikas), Akkordeon, Flöten, Gesang und Gemurmel begleiten jetzt den Tanz der Dreiheit aus Mondgöttin, Mondmann und Halbmond. Doch der Feuervogel führt die Zuschauer schon bald am Teich vorbei, wo die geschickt projizierte Mondsichel die Abnahme des Zyklus andeutet. Aus der alten Buche wird die Höhle der Mondhexe, die mit Knochen klappernd Memento mori zu mahnen scheint. Mit Overheadprojektionen läßt Frank Olsowski Erinnerungen an die Szenen auferstehen. Die Zuschauer dürfen einen letzten Blick auf die phantastischen Kostüme von Angelika Schubert werfen und bedanken sich mit einem begeisterten Applaus.

Theater pur , Nr. 9/10, Oktober 1995
Träume, Mythen, Märchen

Im letzten Monat verwandelte sich der Schlosspark Bochum-Weitmar in eine fast archaische Welt. Die Truppe junger Schauspieler, Tänzer, Pantomimen und Musiker erarbeitete eine Performance, die sich mit den Einflüssen des Mondes beschäftigte. Weniger gefragt waren die realen Einflüsse als viel mehr die, die der Mond auf unsere Seele, unsere Gedanken und unsere Fantasie ausübt. Mit Licht, Feuer, Skulpturen, gelungenen, fantasievollen Kostümen, eigenwilliger Musik und stimmungsvollen Projektionen auf die alte Schlossruine, nehmen die Akteure die Zuschauer bei der Hand und führen sie in eine märchenhafte Nacht. Nach und nach werden Wissen und Weiher des Parks in Licht getaucht und von den Figuren der Mythen, Sagen und Märchen bevölkert. Hier trifft der Feuervogel die Mondfrau. Zwei in zartes Tüll gehüllte Mädchen schweben über die Wiese. Unter einem knorrigen Baum wirft eine alte Runenfrau geheimnisvoll die Knochen. Der Zuschauer wandert von Aktionsfläche zu Aktionsfläche, wobei ihm seitlich aus den dunklen Büschen geheimnisvolle Musik entgegenschlägt. Was die durchweg junge Truppe bietet ist Performance total. Hier werden weniger Inhalte vermittelt, als ganz individuelle Gefühle und Empfindungen geweckt. Jeder Zuschauer erlebt für sich sein ganz eigenes Theater. Entstanden ist diese Produktion der Akademie Kulturgut in einem 10 wöchigen Seminar in Carrara/Italien und in Bochum. Beide Städte haben auch die Produktion gefördert. Die Schirmherrschaft übernahm E. O. Stüber, Oberbürgermeister von Bochum.

Quake
Ruhr-Nachrichten, 14. Juli 1997

Erdbeben bringt aus dem Gleichgewicht. Erdbeben zerstört. Erdbeben zwingt zum Wiederaufbau. Diesen Wiederaufbau oder Neuanfang nach einem Erdbeben auf kreativer Ebene unternehmen 25 junge Künstler aus sechs Nationen zusammen mit Reinhard Kreckel auf Sardinien. Gemeinsam erarbeiten sie eine Performance, die unter dem Thema Quake (Beben) steht. Mit den Elementen Körpermaske, Tanz, Klang und Raum drücken sie Möglichkeiten aus, die sich nach Erschütterungen stabiler Situationen ergeben. … In drei Arbeitsphasen setzen sich die Workshop-Teilnehmer mit der eigenen Ausdruckskraft auseinander und erschaffen Maskenwesen und Klangobjekte.

Requiem Trinitatis Industriae
Hattingen zum Sonntag, 25./26. Juni 1988

Mit gleich zwei Beiträgen wird die Stadt Hattingen auf dem ersten landesweiten Ruhrschrei-Festival vertreten sein. Am 26. Juni veranstaltet die Hattinger Theatergruppe Metamorphose in der Zeche Zollern 2/4 in Dortmund-Bövinghausen eine schwarze Messe unter dem Titel Requiem der Heiligen Güter. In diesem Theaterspektakel geht es um die Priester Energie, Stahl und Chemie, die unter der Leitung eines Oberpriesters auf unser Jahrhundert Rückschau halten.

Rendez-Vous-Elementaire
WAZ Lünen, 30. November 1987

Im Anfang war das Chaos:

Feuer, Erde, Wasser und Luft waren völlig strukturlos und unkoordiniert. Alles ging drunter und drüber. Und dann kam Sansara, die Mittelpunktsfigur des faszinierenden und farbenreichen Gastspiels Rendez-Vous-Elementaire des Metamorphose. Masken Klang Theaters aus Hattingen. Ihr gewaltiger Gong übertönte das Chaos. Und Sansara begann das Chaos zu ordnen und die vier Elemente durch einen Kreis aus 30 Metern Stoff ihres Gewandes zu verbinden. Und ein jedes bekam seinen Platz, der mythologisch genau festgelegt ist. Die Luft ging nach Osten, wo das Leben, die Wärme und das Licht ist. Das Feuer hatte seinen Platz im Süden, wo die Sonne und Lebensenergie angesiedelt ist. Die Erde orientierte sich nach Westen, der der Finsternis und Kälte entspricht. Und das Wasser schließlich wurde im Norden angesiedelt, der Welt der Toten, die gleichzeitig schon das Potential zur Erneuerung enthält. Der Titel Rendez-Vous-Elementaire des Gastspiels beim TPI läßt erahnen, was im Folgenden geschah: Die Elemente kommunizierten miteinander. Mal harmonisch, mal hektisch, mal explosiv oder alles auf einmal – als interessantes Spiel auf vielen Ebenen. Der Vierheit der Elemente und Himmelsrichtungen entsprachen gleichzeitig ein spezifischer Klang und ein zugehöriges Tier, dessen Charakteristika durch die ausgefallenen Gewänder und vor allem phantasiereichen Masken der Schauspieler deutlich wurden.

Ruhr-Nachrichten, 1. Dezember 1987

Es sind oft die leisen Töne, die zarten Bewegungen inmitten einer spärlichen Bühnenausstattung, die faszinieren. Das Metamorphose. Masken Klang Theater beherrscht diese Kunst vollkommen. Mit seinem fast mystischen Stück Rendez-Vous Elementaire erinnerte es die rund 30 Zuschauer an die Schöpfungsgeschichte. Vom Chaos beherrscht irren die Elemente Wasser, Luft, Erde und Feuer umher, bis ein Gongschlag von Sansara sie zur Ordnung ruft. Die geheimnisvolle Gestalt setzt nun einen Kreislauf in Gang, der auch Kreislauf des Lebens genannt werden kann. Mit ihrer Schleppe, die Sansara zu einem 30 Meter langen Kreis ausrollt, verbindet sie die Elemente und weist ihnen ihre Plätze in verschiedenen Himmelsrichtungen zu. … Hier nun begegnen sich die Elemente, ein meditatives Spiel zwischen Rhythmus und Kommunikation, Zirkulation und Stagnation beginnt, bis Sansara den Kreislauf wieder beendet. Das in Projektarbeit entstandene Werk der Hattinger Gruppe basiert auf altem symbolischen Hintergrund der Indianer *. Alles ist stimmig: Das Kostüm samt Maske, die Bewegung, der Klang dazu auf selbst gemachten Instrumenten. Während des ganzen Stückes fällt kein einziges Wort, und doch versteht der Zuschauer die Symbolik, kann sie für sich interpretieren. Ästhetisch anzusehen ist der Tanz der Elemente, der eine verzaubernde Atmosphäre ausstrahlt.

* politisch korrekt: Native American